Das Abendrennen der zweisitzigen Rennwagen und GT bis 1960/61 ist ein unbestrittener Höhepunkt des AvD-Oldtimer-Grand-Prix. Und auch wenn in diesem Jahr einige internationale Teilnehmer Corona-bedingt fehlten, so ging doch ein höchst sehenswertes Feld mit vielen Fahrzeughighlights auf die wilde Fahrt in Richtung Abenddämmerung. Ein erster „Hingucker“ erwartete die Besucher noch vor der Einführungsrunde, denn hier zeigte sich ein Mercedes-Benz 300 SL mit ganz besonderer Geschichte: Beim 1000km-Rennen 1956 fuhren Bengt Martensson und Graf Wittigo von Einsiedel den Flügeltürer und landeten auf Gesamtposition acht.

Das Schwedisch-Deutsche Gespann aus Martensson / von Einsiedel holte damals den Klassensieg am Nürburgring. Als ob das nicht Grund genug wäre, das seinerzeit werksseitig vorbereitete Kundenfahrzeug herzuzeigen, wurde er gerade erst nach längerer Standzeit reaktiviert. Und auch diesmal saß ein Mitglied der Familie von Einsiedel am Steuer, nämlich Fabian – der Sohn Wittigos. „Es ist in gewisser Weise ein Familienauto“, schmunzelt er. Vater Wittigo trug 1956 mit seiner Streckenerfahrung am Ring dazu bei, dass er und sein Schwedischer Teamkollege als bestes Deutsches Team den Sieg in der GT-Kategorie holten, weitere Einsätze folgten. „Ich bin sehr glücklich, dieses Auto heute selbst fahren zu können“, erklärt Sohn Fabian, der vom Vater die Begeisterung für den Motorsport geerbt hat. „Hier beim AvD-Oldtimer-Grand-Prix ist aber nur eine Ehrenrunde möglich, weil der 300 SL lange stand und erst wieder rennfertig gemacht werden muss.“

Den Status eines seltenen Stücks haben indes wohl alle Fahrzeuge, die in diesem besonderen Rennen teilnehmen. Besonders gut vertreten sind diesmal die etwas kleineren Hubraumklassen, in denen sich etwa verschiedene hinreißende Lotus-Modelle tummeln, aber auch ein Porsche 718 RS 61 (1960) oder ein Maserati A6GCS (1955) und viele weitere beeindruckende Fahrzeuge. Ein Exot unter diesen Exoten: Ein Abarth Simca 2000 von 1965, der in der Einladungsklasse der GT/GTS/GTP-Fahrzeuge bis 1965 antritt. Fahrer Dr. Jürgen Boden erzählt: „Das Auto stammt aus der Sammlung von Engelbert Möll, einem ehemaligen Abarth-Werkspiloten.“ Simca lieferte zu dem Rennwagen eigentlich nur den Namen, während Abarth für die Renntechnik sorgte, um die Marke ins rechte sportliche Licht zu rücken. Der Racer mit dem für seine Zeit fortschrittlichen Sechsgang-Getriebe ging zunächst nach Südamerika, andere Exemplare liefen erfolgreich in der Sportwagen-WM. „Es gab Fahrer, die auch Porsche 904 fuhren, aber dem Abarth den Vorzug gaben, wenn es eng und kurvig wurde“, schildert Dr. Boden. „Nun haben wir dieses Exemplar nach längerer Standzeit in der Privatsammlung wiederbelebt, die notwendigen FIA-Papiere bekommen und fahren heute Abend einen vorsichtigen ersten Einsatz.“

Zu den besonderen Fahrern gehörten diesmal zwei ehemalige Formel-1-Piloten, die eigentlich im Sonderlauf der Grand-Prix-Legenden antreten. René Arnoux und Giovanni Lavaggi nutzten die Gelegenheit, um im Porsche 904 das Abendrennen zu bestreiten – für beide übrigens eine Premiere in diesem Modell. „Das Rennen war ein Sprung ins kalte Wasser“, lächelt Lavaggi und erklärt: „Im Qualifying hatte ich gerade die Bremsen angefahren und wollte Gas geben, als es mit der Roten Flagge auch schon beendet wurde. So habe ich also im Rennen wirkliches Neuland betreten.“ Arnoux übrigens verbindet gerade mit dem Modell, das er nun fahren durfte, eine alte Erinnerung. „Als ich 16 Jahre alt war, habe ich in Grenoble gelebt“, schildert er. „Ich kann mich noch gut erinnern, dass damals in einer Werkstatt ein 904 stand, und ich bin nach der Schule immer hingerannt, um ihn zu bestaunen. Heute freue ich mich darüber, ihn einmal selbst zu fahren.“