„Ready, set, go!“ – das klassische Procedere für den Le-Mans-Start eröffnete am Samstagabend den Lauf der zweisitzigen Rennwagen und GT bis 1965. Was von Insidern nur als das „Abendrennen“ bezeichnet wird, ist nicht weniger als ein motorsportliches Schatzkästlein. Denn das traditionell bis zum letzten Platz gefüllte Starterfeld strotzt nur so von seltenen, teilweise einzigartigen Fahrzeugen. So schlägt im wieder aufgebauten Ferrari 246 SP (eines von zwei überhaupt bekannten Exemplaren) von Jason Wright ein Motor, der einst Graf Berghe von Trips vorantrieb. Es sind Geschichten wie diese, die in diesem Rennen immer wieder faszinieren.

Auf 47 Starter beschränkt die Streckenlizenz die Startplätze, „doch wir könnten alljährlich 80 oder 90 Autos in diesem Rennen haben“, sagt Hubertus Graf Dönhoff, der alljährlich die Qual der Wahl hat, das handverlesene Feld zusammenzustellen. Dabei lag ein Augenmerk auf italienischen Modellen. So teilt sich Dönhoffs Tochter Nicola einen der seltenen Ferrari 250 GT SWB mit Adrian Beecroft. Sie treffen in ihrer Klasse auf den erstmals hier zu sehenden Ferrari 250 GT Lusso – eines der wenigen Exemplare, die auch in ihrer Zeit im Renneinsatz waren. Auch der O.S.C.A. 372 im Feld steht für italienische Sportwagenkultur. Gleich drei Maserati 300 S mischen im Starterfeld mit, und dann sind da natürlich die Bizzarini 5300 GT, die mit ihren 5,3 Litern Hubraum an der Spitze des Feldes die Pace mit angeben.

Dort treffen sie auf britische Konkurrenz: Im Kampf um die Spitze lieferten sich die Bizzarini einen schönen Fight mit dem Austin Healey 3000 MK II von Vincent und Alexander Kolb sowie dem Elva MK 8 von Oliver Hartmann. Letztgenannter stand im Vorjahr beim Abendrennen ganz oben auf dem Treppchen und bestätigte seine Ansprüche auch in diesem Jahr mit dem zweiten Platz im Qualifying und den Sieg im Abendrennen am Samstag. „Der Oldtimer-Grand-Prix ist meine Highlight-Veranstaltung des Jahres“, beschreibt er. Mit seinem bildschönen offenen Sportwagen bestreitet er an diesem Wochenende erst den dritten Renneinsatz, wobei das Fahrzeug in seiner Karriere schon einige Erfolge einheimste. „Der Elva MK 8 war der letzte zweisitzige Rennsportwagen der Firma Elva, bevor sie 1965 in McLaren aufging. Insgesamt wurden elf Exemplare gebaut, mein Fahrzeug hat die Fahrgestellnummer elf. Stirling Moss fuhr mit diesem Auto zum Beispiel 1966, auch mehrere Siege in der amerikanischen Meisterschaft sind dokumentiert. Insgesamt kommen rund 100 Rennerfolge in den 60er-Jahren zusammen.“

Ein Traum geht in Erfüllung

Wie ist das Gefühl, in einem Auto mit viel Rennhistorie in diesem Starterfeld unterwegs zu sein? „Es ist ein Genuss“, sagt Hartmann. „Ich habe 20 oder 30 Jahre den Oldtimer- Grand-Prix als Zuschauer besucht und bin bei diesem Rennen um die Autos herumgestriegelt. Ich musste relativ alt werden, bis ich mir mein erstes Rennfahrzeug selber kaufen konnte. Und nun ist es ein Traum, der in Erfüllung geht: In die untergehende Sonne hineinfahren, umgeben von den schönsten Rennwagen aller Zeiten. Das ist ein Glücksgefühl.“

Bei den Fahrern kommt keine Langeweile auf

Glücksgefühle gibt es nicht nur an der Spitze des Feldes, denn in wohl jedem Cockpit drehen gewissermaßen „Überzeugungstäter“ am Volant, die oft eine eigene Beziehung zu ihrem Fahrzeug haben. „Ich wurde zehn Jahre bevor das Auto gebaut wurde, geboren“, schildert zum Beispiel Karlo Diederichs, der im Porsche 904 antritt. „Das war als Kind dann mein Spielzeug-Rennwagen. So entstand zum 356 und den Folgetypen ein ganz besonderes Verhältnis. Auch zum RS 60 und RS 61 und anderen.“ Als Porsche-Fan von kleinauf stand deshalb schnell fest, mit welchem Fahrzeug er sich ins Renngetümmel stürzen wollte. Diederichs: „Das Design und die Form machen den 904 zu einem der schönsten Porsche überhaupt, wobei er auch fahrerisch ein Ausnahmefahrzeug ist. Er hat keine elektronische Helfer wie die Fahrzeuge heute, fährt sich aber trotzdem toll. Für damalige Verhältnisse hat er ein sehr modernes Rennfahrwerk, das gut beherrschbar ist.“ Auch er stimmt sofort zu, dass es sich hier um ein ganz besonderes Rennen mit einem exzellenten Starterfeld handelt – bei dem man auch als Fahrer reichlich zu tun bekommt. „Es gibt natürlich auch große Leistungsunterschiede“, beschreibt er. „Zwischen den Bizzarini mit ihren über fünf Litern Hubraum und einem Posche 356 mit 100 PS liegt natürlich eine riesige Bandbreite. Ich bewege mich im oberen Mittelfeld und habe im Rennen beileibe keine Langeweile.“